Jugendgerichtsverfahren - JGG -
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Das Jugendgerichtsverfahren Das Jugendgerichtsverfahren ist ein „besonderes“ Strafverfahren bei denen mit erzieherischen Mitteln versucht wird auf den straffällig gewordenen Jugendlichen oder Heranwachsenden einzuwirken. Es steht nicht Strafe und (damit) Tatvergeltung im Vordergrund sondern Mittel und Wege zu finden, diesen von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Im Mittelpunkt steht der sog. Erziehungsgedanke. Strafrechtlich verantwortlich, d.h. strafmündig ist in Deutschland nur derjenigen, der mindestens 14 Jahre alt ist. Als Heranwachsende sind diejenigen, die im Alter zwischen 18 und 20 Jahren Straftaten begehen. Das Jugendstrafrecht kommt bei Jugendlichen immer, bei Heranwachsenden nur dann zur Anwendung, wenn dieser in seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand oder es sich bei der Tat um eine typische Jugendverfehlung  handelt. Zuständig für das Jugendstrafverfahren ist, anders bei einem Erwachsenstrafverfahren,   grundsätzlich das Amtsgericht am Wohnort des Jugendlichen/Heranwachsenden. Dies belastet den Jugendlichen am wenigsten und es bietet den Vorteil, dass der Richter den straffällig gewordenen Jugendlichen im Blick behalten kann und er bei weiteren Straftaten, egal wo in Deutschland, immer wieder bei ihm landet. So kann er die notwendigen Sanktionen  besser bestimmen.  In der Regel entscheidet der Jugendrichter als Einzelrichter. Schwerere Delikte, bei denen in der Regel Freiheitsstrafen verhängt werden, werden vor dem Jugendschöffengericht  verhandelt. Diese ist mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt ist.  Ausnahmsweise, nämlich in Fällen schwerster Kriminalität wird Anklage vor dem Landgericht im Bezirk des Jugendlichen erhoben. Zuständig ist dann eine sog. Jugendstrafkammer. Bei jeder Staatsanwaltschaft gibt es eine eigene Abteilung mit Jugendstaatsanwälten/innen. Auch das Gericht ist mit besonders geschulten Jugendrichtern besetzt. Selbst die Schöffen  müssen pädagogisch qualifiziert sein. Bei Jugendlichen sind die Eltern am Verfahren beteiligt. Sie vertreten den jugendlichen Straftäter gegenüber Behörden und Strafverfolgungsbehörden. Eine weitere Besonderheit ist die im Jugendstrafverfahrens beteiligte Jugendgerichtshilfe. Die Jugendgerichtshilfe soll den  noch jungen Straftäter und dessen Familie beraten und unterstützen.  Sie nimmt deshalb Kontakt zum Jugendlichen/Heranwachsenden auf und nimmt regelmäßig an den dann stattfindenden Gerichtsverhandlungen teil. Sie unterbreitet dem Gericht einen Vorschlag hinsichtlich zu ergreifender Sanktionen, etwa bei einer Verfahrenseinstellung oder einem mögliches Urteil. Sie ist auch für die Vermittlung und Überwachung sozialer Arbeitsstunden zuständig. Schlussendlich berät die Jugendgerichtshilfe quasi das Gericht dahingehend, welche Reife der Jugendliche hat und/oder ob der heranwachsende Straftäter nach seiner Reife und Entwicklung  eher wie ein Jugendlicher (dann Jugendstrafrecht) oder schon wie ein Erwachsener (dann normales Strafrecht) behandelt werden sollte.  Die Hauptverhandlung gegen einen Jugendlichen ist im Gegensatz zu einer Verhandlung gegen einen Heranwachsenden oder Erwachsenen nichtöffentlich. Während das normale Strafrecht gegen Erwachsene nur zwei echte Strafen, nämlich Geld- und Freiheitsstrafe kennt, ist der Katalog im Jugendstrafverfahren sehr viel weiter. Eine Freiheitsstrafe, die sog. Jugendstrafe ist das letzte Mittel was angewandt wird, wenn alle anderen Sanktionen versagt haben oder wenn auf Grund besonderer Umstände die Verhängung einer Jugendstrafe unumgänglich macht. Möglichkeiten im Jugendstrafrecht: 1. Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 45, 47 JGG Im Jugendstrafrecht besteht zunächst die Möglichkeit das Strafverfahren bereits durch die Staatsanwaltschaft einzustellen. Dabei kann der Staatsanwalt ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn eine geringe Schuld beim jugendlichen Täter vorliegt. Dies ist insbesondere bei Ersttaten verbreitete Praxis. Der Staatsanwalt sieht auch dann von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Gerichts, noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, ggf. über einen freiwilligen sog. „Täter-Opfer-Ausgleich“. Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen oder von Auflagen  durch den Jugendrichter an, wenn dieser geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. Die Staatsanwaltschaft oder das Gericht können bei einer solchen Einstellung des Verfahrens die verschiedensten Auflagen machen. So kommt etwa gemeinnützige Arbeit, die Verpflichtung, sich einer besonderen Betreuung oder Therapie zu unterziehen, die Schadenswiedergutmachung oder ein Täter-Opfer-Ausgleich in Frage. Das Jugendgericht ist, was Weisungen betrifft, relativ frei. Im Kern steht immer die Frage, wie kann der noch jugendliche Straftäter von weiteren Straftaten abgehalten werden. 2. Verurteilung Kommt eine (obige) Verfahrenseinstellung nicht mehr in Betracht, so fragt sich, zu was der Jugendliche oder Heranwachsende vom Gericht verurteilt werden kann. a) Erziehungsmaßregeln §§ 9 ff. JGG An erster Stelle der Sanktionsmöglichkeiten stehen hier die so genannten "Erziehungsmaßregeln", die im Prinzip den Auflagen und Weisungen entsprechen, die bei einer Einstellung gemacht werden können. Entscheidender Unterschied ist allerdings, dass eine Verurteilung im Erziehungsregister als Teil des Bundeszentralregister erfasst wird und zu einer "Vorstrafe" führt. b) Zuchtmittel §§ 13 ff. JGG Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist. dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. Zuchtmittel sind 1.     die Verwarnung, 2.     die Erteilung von Auflagen, 3.     der Jugendarrest, wenn die Verwarnung oder die Erteilung von Auflagen nicht ausreicht. Eine Verwarnung bedeutet die eindringliche Vorhaltung des Unrechts der Tat durch das Gericht, welche oft mit Auflagen wie etwa einer Schadenswiedergutmachung, der aufrichtigen Entschuldigung beim Tatopfer oder Sozialstunden verbunden wird. Jugendarrest kann entweder als ein oder zwei Wochenendarresten (jeweils von Freitagmittag bis Sonntagnachmittag) oder eines Dauerarrestes bis zu vier Wochen verhängt werden. Die Vollstreckung findet nicht in einer JVA sondern in speziellen Jugendarresteinrichtungen statt. c) Jugendstrafe §§ 17 ff. JGG Der Jugendrichter verhängt dann eine Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen  des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld diese Strafe erforderlich ist. Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht. Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, das die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist. Kann nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit Sicherheit beurteilt werden, ob in der Straftat eines Jugendlichen schädliche Neigungen von einem Umfang hervorgetreten sind, dass eine Jugendstrafe erforderlich ist, so kann der Richter die Schuld des Jugendlichen feststellen, die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe aber für eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen. Die Bewährungszeit darf zwei Jahre nicht überschreiten und ein Jahr nicht unterschreiten. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf zwei Jahre verlängert werden. Der Jugendliche wird für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers  unterstellt. Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, dass der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Das Gericht setzt die Vollstreckung der Strafe auch dann zur Bewährung aus, wenn die vorgenannte Erwartung erst dadurch begründet wird, dass neben der Jugendstrafe ein Jugendarrest verhängt wird. Das Jugendgericht setzt auch dann die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen nicht geboten ist. Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird auch durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen. Der Jugendrichter bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf drei Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier Jahre verlängert werden. Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusagen oder des Anerbietens zu erwarten ist. Der Richter unterstellt den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. Er kann eine getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der Bewährungszeit erneut anordnen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt. Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten teilt er dem Richter mit. Das Gericht widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche 1.     in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, 2.     gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird, oder 3.     gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt. Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht, 1.     weitere Weisungen oder Auflagen zu erteilen, 2.     die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren zu verlängern oder 3.     den Jugendlichen vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen. Widerruft der Richter die Strafaussetzung nicht, so erlässt er die Jugendstrafe nach Ablauf der Bewährungszeit. 
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